Im Gespräch mit der Persönlichkeitspsychologin Prof. Eva Asselmann
Unsere Persönlichkeit ist kein starres Konstrukt – sie entwickelt sich ständig weiter. Aber was genau beeinflusst sie? Und wie stark prägen berufliche Entscheidungen, Lebensereignisse oder gesellschaftliche Normen unseren Charakter?
Über diese spannenden Fragen hat Nadine Zeller im Rahmen des SWR-Formats Das Wissen mit der Persönlichkeitspsychologin Prof. Eva Asselmann gesprochen. Ihre Erkenntnisse geben faszinierende Einblicke in die Dynamik unserer Persönlichkeit.
Du kannst das Interview hören auf SWR-Wissen, Spotify, Apple Podcasts, ARD Audiothek
Und das sind die Themen aus dem Interview:
Was macht unsere Persönlichkeit aus?
Prof. Asselmann beschreibt Persönlichkeit als stabile, aber veränderbare Merkmale im Denken, Fühlen und Verhalten. Diese werden im psychologischen Kontext häufig durch die Big Five charakterisiert:
- Offenheit: Wie neugierig und aufgeschlossen bist du gegenüber neuen Ideen und Erfahrungen?
- Gewissenhaftigkeit: Wie zuverlässig und organisiert bist du?
- Extraversion: Wie gerne bist du unter Menschen?
- Verträglichkeit: Wie harmonisch und kooperativ gehst du mit anderen um?
- Neurotizismus: Wie emotional stabil bist du?
Diese fünf Dimensionen helfen, individuelle Unterschiede greifbar zu machen – und sie bilden die Grundlage für viele der spannenden Forschungsergebnisse von Prof. Asselmann.
Der Beruf als Persönlichkeits-Booster
Eine der zentralen Aussagen aus dem Interview ist, dass der Einstieg ins Berufsleben viele Menschen verändert. Laut Prof. Asselmann entwickeln sich Berufseinsteiger in drei Bereichen besonders stark:
- Gewissenhaftigkeit: Weil der Job Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Struktur erfordert.
- Extraversion: Weil Präsentationen und der Umgang mit Kollegen oft Teil des Berufsalltags sind.
- Verträglichkeit: Weil ein höflicher Umgang mit Kunden und Kollegen essenziell ist.
Der Einstieg ins Berufsleben kann unsere Persönlichkeit verändern.
Interessant ist, dass auch die Berufswahl rückwirkend unsere Persönlichkeit verstärken kann. Wer etwa als Schauspieler oder Lehrer arbeitet, wird häufig extravertierter, da der Beruf dies erfordert. Unternehmer*innen hingegen entwickeln oft eine höhere Risikobereitschaft und Offenheit, weil sie sich regelmäßig neuen Herausforderungen stellen müssen.
Die Geburt eines Kindes: Weniger Einfluss als gedacht
Überraschend wenig Veränderung zeigte sich in Studien bei Eltern, die ein Kind bekommen. Prof. Asselmann erklärt das so: Während der Beruf klare Anforderungen und regelmäßiges Feedback bietet, fehlt diese Struktur oft im familiären Umfeld. Junge Eltern werden dennoch häufig gewissenhafter – insbesondere, wenn sie vor der Geburt weniger strukturiert gelebt haben. Ältere Eltern hingegen zeigen manchmal sogar einen Rückgang in ihrer Gewissenhaftigkeit, weil sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen müssen.
Wie können wir unsere Persönlichkeit bewusst verändern?
Die Forschung zeigt: Persönlichkeit ist formbar. Wer sich verändern möchte, kann dies durch gezielte Verhaltensänderungen erreichen. Prof. Asselmann empfiehlt, klein anzufangen:
- Offenheit fördern: Neues ausprobieren – von exotischen Speisen bis zu ungewöhnlichen Hobbys.
- Extraversion stärken: Bewusst soziale Situationen suchen, z. B. Vorträge halten oder aktiv auf Menschen zugehen.
- Neurotizismus abbauen: Achtsamkeitsübungen und der Aufbau von Resilienz helfen, emotional stabiler zu werden.
Sie betont jedoch, dass Veränderungen nicht für jeden wünschenswert sind. Es geht vielmehr darum, die eigenen Stärken zu erkennen und gezielt einzusetzen, statt sich an gesellschaftliche Ideale anzupassen.
Wohlbefinden hat einen Set-Point? Was soll das denn heißen?
Wohlbefinden und Persönlichkeit: Der Set-Point
Ein weiteres spannendes Konzept, das Prof. Asselmann erläutert, ist die Set-Point-Theorie. Diese besagt, dass Menschen nach positiven oder negativen Ereignissen langfristig zu einem stabilen Wohlbefinden zurückkehren. Beispielsweise führt ein Lottogewinn zwar kurzfristig zu Glück, aber langfristig kehren Menschen oft auf ihr gewohntes Zufriedenheitsniveau zurück. Ähnlich verhält es sich nach schweren Schicksalsschlägen wie einem Todesfall.
Fazit: Vielfalt ist unsere Stärke
Zum Abschluss betont Prof. Asselmann, dass Vielfalt in der Persönlichkeit für uns als Gesellschaft essenziell ist. Nicht jeder muss in allen Bereichen „perfekt“ sein. Introvertierte Menschen können durch ihre Fokussierung und Ruhe glänzen, während Extravertierte ihre sozialen Stärken ausspielen. Wichtig ist, dass wir unsere Eigenschaften bewusst einsetzen und nur dort anpassen, wo es uns persönlich oder beruflich weiterhilft.
Quelle: SWR Wissen: „Wie sich unsere Persönlichkeit verändert“, gesendet am 03.11.2024.